Das OVG Berlin-Brandenburg hat am 28.9.2023 (5 B 5/22, das Urteil können Sie hier runterladen) entschieden, dass es keinen Bestandsschutz für Ferienwohnungen gibt, die schon vor Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes (ZwVbG) baurechtlich unzulässig waren.
Der Fall ist einigermaßen kompliziert, weil verschiedene Rechtsgebiete zusammenkommen.
Worum ging es?
Firma I erhält im Jahr 2010 eine Baugenehmigung, um ein marodes Wohngebäude zu sanieren. Sie behält die Wohnnutzung bei, baut im Erdgeschoss noch eine Gastronomie ein und das Dachgeschoss zu Wohnzwecken aus. Sie baut das so, dass ein Apartmenthaus entsteht, also alle Wohnungen mit einer kleinen Küche ausgestattet sind. Sie macht das auch alles wunderbar nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften mit der benötigen Anzahl von Aufzügen, Fluchttreppen usw. Im November 2013 ist alles fertig und sie vermietet die Apartments als Ferienwohnungen. Dann aber kommt das Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Nach dessen Inkrafttreten am 1. Mai 2014 beantragt sie ein Negativattest, also eine Bestätigung, dass keine Nutzung vorliegt, die dem Zweckentfremdungsverbot entgegensteht und beantragt vorsorglich hilfsweise die Genehmigung zur weiteren Ferienwohnungsvermietung. Sie bekommt vom Amt zwar im Rahmen der damaligen Zweijahresregelung die Genehmigung bis zum 30. April 2016, aber nicht das Negativattest für den Zeitraum danach.
Sie klagt Anfang 2016 das Negativattest ein. Seitdem ging der Rechtsstreit hin und her, nach 8 Jahren nun mit einem schlechten Ende für die Firma. Die ganzen Feinheiten wollen wir hier gar nicht ausführen, aber im Kern geht es darum:
Was ist der Hintergrund?
Egal ob es um „normale“ Wohnungsvermietung geht oder um Kurzzeitvermietung – es müssen immer alle öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Und das ist einigermaßen kompliziert, weil „Wohnen“ nicht gleich „Wohnen“ ist. Hier kommt der berühmte Juristenspruch zum Tragen: „Es kommt darauf an“… und zwar immer auf das Rechtsgebiet, für das diese Frage geklärt werden muss. Wohnen im Baurecht ist etwas anders als zum Beispiel im Wohnungseigentumsrecht, und das ist wieder anders als im Zweckentfremdungsrecht… und im Steuerrecht und und und … Wir hören von Mandanten oft, dass das doch kompletter Unfug sei. Allerdings darf man hier der Gesetzgebung und der Juristerei keinen zu großen Vorwurf machen. Ich illustriere das dann so: Wenn ich im Baumarkt eine Schraube kaufen will, muss ich der Verkäuferin schon genau sagen können, wofür ich sie benötige und was sie können soll. Und so ist eben Schraube nicht gleich Schraube und Wohnen nicht gleich Wohnen.
Aber zurück zum Thema:
Um in einem Gebäude oder Raum wohnen zu dürfen, müssen die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein, die in der Bauordnung festgelegt sind. Diese stellt bestimmte Anforderung an eine Wohnung – zum Beispiel muss in Berlin eine Wohnung eine Deckenhöhe von mindestens 2,50 m haben. (Nur so am Rande: Viele Eigentümer wissen z.B. auch nicht, dass sie eine Baugenehmigung benötigen, wenn sie ein Objekt, das als Wohnhaus errichtet wurde in Gewerbe umwandeln wollen oder andersrum).
Aber um die bauordnungsrechtlichen Fragen ging es im Fall gerade nicht, weil die Klägerin eine Baugenehmigung hatte, die sogar den Nutzungszweck „Wohnen“ auswies. Nur nutzte ihr diese Baugenehmigung für die Frage der Zweckentfremdung bzw. des Bestandsschutzes nichts.
Bauplanungsrecht
Entscheidend war die vorgeschaltete Frage, nämlich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit: Hierbei geht es darum, wo überhaupt gewohnt werden darf. Das ist unter anderem in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelt. In einem reinen Industriegebiet wäre die Errichtung eines reinen Wohnhauses von vorneherein unzulässig. Aber es gibt natürlich noch feine Abstufungen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte schon 1984 erklärt, dass eine Ferienwohnungsnutzung bauplanungsrechtlich keine Wohnnutzung darstellt und daher nicht innerhalb der Variationsbreite der bauplanungsrechtlichen Nutzungsart „Wohnen“ liegt.
Die Problematik war damals aber nicht so offensichtlich, sodass viele Projekte sozusagen unter dem Radar der Behörden flogen. Das änderte sich aber mit dem Zweckentfremdungsverbot.
2017 wurde in die BauNVO ein neuer Paragraf 13a eingeführt, der die Frage der Ferienwohnung regelt. Aber dort steht im Prinzip ebenfalls, dass die Nutzung als Ferienwohnung gerade keine Wohnnutzung ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2022 bestätigt: Die Vermietung als Ferienwohnung stellt keine Wohnnutzung dar und ist in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 1 und 2 BauNVO grundsätzlich unzulässig (Beschluss vom 29. April 2022 – 1 BvL 2/17 u.a. Rn. 23).
Kein Bestandsschutz, kein Vertrauensschutz
Sie versuchte zwar, die Verfassungsmäßigkeit des Zweckentfremdungsverbotes infrage zu stellen bzw. wegen des konkreten Sachverhalts einen Verstoß gegen das Grundgesetz (zum Beispiel Art. 14 und Art. 12) darzulegen, wenn sie das Negativattest nicht erhält.
Aber weil das „Wohnen“ in Ferienwohnungen kein „Wohnen“ im bauplanungsrechtlichen Sinne ist, kann die Klägerin auch keinen Bestandsschutz aus der Baugenehmigung ableiten. Auch einen Vertrauensschutz kann sie nicht in Anspruch nehmen, und zwar u.a. deshalb, weil sie gegenüber dem Bezirksamt niemals zu erkennen gegeben hatte, dass sie auch kurzfristige Vermietungen in erheblichem Umfang vornimmt und auch diese ihrer Auffassung nach dem Begriff des „Wohnens“ unterfallen.
Das Ergebnis ist für die Firma I einerseits bitter, weil sie viele Jahre vor Erlass des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes im Jahr 2014 ihre Planungen begonnen hatte und nach dem Vorliegen der Baugenehmigung im Jahr 2010 ca. 8,4 Millionen € investiert hat, um das Gebäude herzurichten. Sie hat dort auch vor dem Inkrafttreten des Verbotes Ferienwohnungen vermietet.
Aber: Das war schon vor Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes sehr gewagt, weil Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet schon damals baurechtlich nicht zulässig waren. Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz grätschte dann zwar noch zusätzlich rein, weil das Ganze dann „offenkundig“ wurde, aber letztlich kam es eigentlich darauf gar nicht mehr so richtig an. Daher konnte die Klägerin auch mit dem Vehikel des Negativattests das Projekt nicht retten.
Fazit:
Von außen betrachtet schien das ganze Projekt sehr „auf Kante genäht“ gewesen zu sein. Man kann vom Zweckentfremdungsverbot halten, was man will, aber darum ging es in diesem Fall eigentlich gar nicht. „Hoch gepokert und verloren“, könnte man sagen.
von Rechtsanwalt Johannes Hofele,
Fachanwalt für Steuerrecht
Breiholdt Rechtsanwälte