Es kann nicht oft genug betont werden: Mündliche Abreden in Gewerbemietverträgen sind gefährlich und können für Mieter geradezu „tödlich“ sein, weil der langfristige Mietvertrag – der ja in der Regel eine wesentliche Geschäftsfgrundlage darstellt – vorzeitig kündbar wird. Selbst wenn der Mieter den Erwerber auf eine mündliche Abrede hinweist, hindert das den Erwerber nicht, trotzdem mit gesetzlicher Frist zu kündigen (OLG Celle, Beschluss vom 06.01.2017 – 2 U 101/16, rechtskräftig durch Rücknahme der Berufung).
Der Hintergrund: Soll ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr gelten, schreibt § 550 BGB die Schriftform vor. Dazu müssen beide Parteien auf derselben Urkunde unterzeichnen, ein Briefwechsel reicht grundsätzlich nicht. Und Unterzeichnung heißt: Eigenhändige Namensunterschrift. Jede (nicht ganz nebensächliche) Abrede, die bei oder auch nach Abschluss des Vertrags getroffen wird und nicht dieser Form entspricht, macht Vertrag zwar nicht nichtig, aber er gilt dann „für unbestimmte Zeit“. Durch einen Schriftformverstoß fällt die vereinbarte Laufzeit quasi per Gesetz weg: Es ist so, als ob die Parteien die Laufzeit gar nicht vereinbart hätten; jede Partei kann also mit gesetzlicher Frist kündigen.
Warum ist das so? § 550 BGB soll vornehmlich dazu dienen, dass sich ein Erwerber des Grundstückes – der ja kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein Mietverhältnis eintritt – über den Inhalt des langfristiges Mietverhältnisses informieren kann und insbesondere dessen (wesentliche) Bedingungen aus den schriftlichen Verträgen ersehen kann (Informations- und Schutzfunktion). Der Paragraph dient aber auch dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten (Beweisfunktion) und soll diese auch vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen schützen (Warnfunktion).
Ein Erwerber soll also wissen, auf welche langfristigen Bindungen er sich einlässt. Er kann zwar keine „letzte Klarheit“ erwarten, muss sich aber andererseits nur in Ausnahmefällen erkundigen, ob es Umstände gibt, die sich nicht aus dem Vertrag und seinen Nachträgen ergeben. Er muss nur das gegen sich gelten lassen, was er „sehen“ kann. Nachforschungs- oder Erkundigungspflichten hat er nur, wenn sich aus dem Vertrag oder den Nachträgen selbst bestimmte Anhaltspunkte ergeben. Wenn z.B. eine Option im Vertrag eingeräumt ist, ist der Erwerber „gewarnt“, dass die Laufzeit des Vertrages verlängert worden sein könnte. Daher muss er sich erkundigen, ob die Option ausgeübt wurde. Umstände, die (völlig) außerhalb der Vertragsurkunde liegen, lösen aber keine Erkundigungspflicht des Erwerbers aus. Und wegen des weitreichenden Schutzes des Erwerbers handelt er auch nicht rechtsmißbräuchlich, wenn er wegen eines Schriftformverstoßes kündigt.
So lag der Fall beim OLG Celle: In der vorbereiteten Mietvertragsurkunde steht als Miete ein Betrag von 2.900,- € monatlich. Bei der Unterzeichnung vereinbaren Mieter und Vermieter mündlich, dass sich die Miete nach einem Jahr auf 1.900,- € reduzieren soll. Warum sie das dann bei dieser Gelegenheit nicht einfach in den Mietvertrag schreiben, ist nicht bekannt, aber für den Mieter fatal: Als der Vermieter Objekt verkaufen will, weist der Mieter den Erwerber zwar auf die mündliche Abrede hin, aber der kündigt dem Mieter dann trotzdem mit gesetzlicher Frist – obwohl der Vertrag noch bis April 2021 laufen sollte.
Die Entscheidung: Der Mieter greift nach dem Strohhalm und meint, die Kündigung wäre rechtsmissbräuchlich,weil der Erwerber die Abrede doch vor dem Erwerb gekannt habe. Damit dringt er nicht durch. Denn es gilt: Die Berufung auf einen Formmangel ist nur in Ausnahmefällen treuwidrig, etwa wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags „zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis“ führen würde. Dies kann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre. Nichts davon lag hier vor.
Und der Erwerber muss den Hinweis des Mieters nicht beachten, so das OLG Celle. Er darf sich auf die Richtigkeit der im schriftlichen Mietvertrag niedergelegten Angaben zur Miethöhe verlassen. Der Erwerber hat auch keine Nachforschungspflicht, weil keine der oben genannten Ausnahmen vorliegt. Die Behauptung des Mieters, es sei ein geringerer Mietzins als der im schriftlichen Vertrag genannte vereinbart worden, liegt außerhalb der Urkunde und löst daher keine Erkundigungspflicht des Erwerbers aus.
Praxishinweis: „Papier ist geduldig“, heißt es. Angesichts des Risikos, dass der eigentlich langfristige Vertrag kündbar wird, sollte bei der Gewerberaummiete lieber eine Seite mehr als eine weniger beschrieben werden – und zwar als Nachtrag, und eben nicht nur als Schriftwechsel.
Und vor allem gilt: Wegen des Erwerberschutzes kann sich ein Mieter praktisch nie auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen, wenn ein Erwerber unter Berufung auf § 550 BGB kündigt. Auch helfen weder Schriftformklauseln noch Schriftformheilungsklauseln.
von Rechtsanwalt Johannes Hofele,
Fachanwalt für Steuerrecht
Breiholdt Rechtsanwälte