Die Situation ist widersprüchlich: Einerseits fördert die Bundesregierung seit längerer Zeit den Kauf von Elektroautos. Andererseits hinkt das Aufstellen der nötigen privaten Ladestationen hinterher. Diese könnten insbesondere in Tiefgaragen oder auf Stellplätzen von Wohnungseigentümergemeinschaften entstehen. Aber: Erste Gerichtsurteile, die sich mit dem Sachverhalt befassen, erschweren es Wohnungseigentümern an ihren Pkw-Stellplätzen Ladestationen anzubringen, selbst wenn sie die Kosten für Installation und Reparaturen übernehmen: Das Landgericht München I urteilte, dass es sich hierbei um eine bauliche Veränderung handele, der alle Eigentümer einhellig zustimmen müssen. Es reiche keine einfache Mehrheit aus (Urteil v. 21.1.2016 – 36 S 2041/15 WEG). Alle Richter, die sich danach mit ähnlichen Fällen befassten, orientierten sich an diesem Urteil, so etwa das Amtsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: 291a C 45/17).
Wohnungseigentümer, die sich Stromer-Pkw anschaffen wollen, sollten also nach Möglichkeit bereits vor der dem Kauf einen Beschluss der WEG zum Einbau einer Ladestation herbeiführen. Sonst sind sie hinterher evtl. auf öffentliche Ladesäulen angewiesen. Die Besitzer von Einfamilienhäusern haben es da besser: Sie müssen niemanden fragen. Für umweltbewusste Wohnungseigentümer ein schwacher Trost. Denn insbesondere in Ballungsregionen sollen E-Autos dazu beitragen, den Schadstoffausstoß zu reduzieren und in Großstädten gibt es sehr viel mehr Wohnungen als Eigenheime. Der Vorstoß aus dem Bundesverkehrsministerium, Eigenheimbesitzern beim Bau von Ladestationen finanziell unter die Arme zu greifen ist gut. Aber er sollte auch Wohnungseigentümern zugutekommen.
Häufig muss bestehende Stromversorgung ertüchtigt werden
Seit dem vergangenen Jahr befasst sich nun eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit der Reform des WEG-Rechts. Ein Schwerpunkt ist, das Aufstellen von Ladesäulen zu vereinfachen. Sinnvoll wäre es, wenn die Mitglieder zum Ergebnis kommen, dass ein Eigentümer Anspruch auf ein Ladegerät hat. Hierfür könnte beispielsweise der § 21 Abs. 5 WEG dahingehend ergänzt werden, dass Miteigentümer eine Installation dulden müssen. In diesem Zusammenhang wäre aber zugleich Klarheit bei der Nachrüstung der Elektroanlagen in der WEG zu schaffen. Bislang ist es so, dass die vorhandene Stromleistung eines Mehrfamilienhauses in der Regel nur ausreicht, um eine geringe Anzahl von Ladestationen zu versorgen. Werden weitere benötigt, dann muss die Elektroanlage ertüchtigt werden, was zusätzliche Kosten verursacht. An diesen Kosten müsste sich dann auch der „Erstanschließer“ beteiligen.
Denkbar wäre weiter ein Betreibermodell, bei dem die Gemeinschaft künftig Ladestationen nicht nur an Eigentümer, sondern auch Nachbarn gegen Entgelt zum Stromaufladen vermietet. So würden die Steckdosen besser genutzt und die Eigentümergemeinschaft könnte Einnahmen generieren.
von Rechtsanwalt Kai-Peter Breiholdt,
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Breiholdt Rechtsanwälte, Berlin