Wir hatten berichtet, dass ein Gesetzesentwurf auf dem Weg ist.
Seit Januar 2021 gibt es die „Corona-Vermutung“ :
Art. 240 § 7 EGBGB enthält eine gesetzliche Vermutung dafür, dass Covid-Maßnahmen eine Änderung der Geschäftsgrundlage sein können:
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.
Und was heißt das jetzt?
Um zu einer „Störung der Geschäftsgrundlage“ zu gelangen, müssen 3 Fragen mit „Ja“ beantwortet werden:
Veränderung der Vertragsgrundlagen? – tatsächliches Element
Haben sich „Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert“?
„Was-wäre-wenn?“ – hypothetisches Element
Hätten die Parteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen, wenn sie das Problem vorhergesehen hätten ?
Konkreter Zustand jetzt unzumutbar? – normatives Element
Ist das Festhalten am Vertrag im konkreten Einzelfall unzumutbar?
Gesetz regelt nur das tatsächliche Element
Die Neuregelung betrifft das tatsächliche Element formuliert die erste Frage wie folgt: „Stellen Nutzungseinschränkungen für gemietete oder gepachtete Objekte, die auf staatlichen Covid-19-Maßnahmen beruhen, eine Änderung der Geschäftsgrundlage?“
Das Gesetz gibt hier die Antwort vor: „Vermutlich ja“.
Es handelt sich hier um eine sogenannte gesetzliche Vermutung. Mehr enthält die Norm nicht. Und diese Vermutung kann widerlegt werden.
Mieter müssen alle weiteren Voraussetzungen beweisen
Alle anderen Merkmale sind von der Vermutung nicht berührt. Mieter müssen also nach wie vor alle weiteren Voraussetzungen darlegen und beweisen. Die Gesetzesbegründung stellt ausdrücklich darauf ab, dass aufgrund der vertraglichen Regelungen (oder auch der Umstände des Vertragsschlusses) ein anderer Parteiwille möglich ist und es immer auf den Einzelfall ankommt. Dies gilt auch für die Frage der Zumutbarkeit (normatives Element). Und die Vermutung gilt auch nur für „Altverträge“. Sie besteht nicht in den Fällen, in denen die pandemieartige Ausbreitung des Coronavirus in der breiten Öffentlichkeit bereits bei Abschluss des Mietvertrag absehbar war.
Folge: Erst mal nur Vertragsanpassung
Auch die Rechtsfolge des § 313 BGB bleibt unberührt: Es geht erst mal nur um eine Vertragsanpassung in angemessenem Umfang. Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn eine Vertragsanpassung nicht möglich oder unzumutbar ist.
Hilft das Gesetz weiter?
Ein eindeutiges Jein.
Im Prinzip ist das Gesetz überflüssig, weil schon bei Inkrafttreten nach einem Jahr Pandemie klar war, dass die Pandemie ein historisches Ausmaß angenommen hatte und praktisch kein Lebens- und vor allem auch kein Wirtschaftsbereich davon unbeeinflusst ist.
Daher war ich von Anfang an der Meinung, dass die Gewerberaummietverträge erst im Laufe der Zeit bei Andauern der Pandemie in die Störung der Geschäftsgrundlage „hineinlaufen“. Insofern klärt das Gesetz, dass man jedenfalls ab 1.1.2021 auf diese tatsächliche Vermutung zurückgreifen kann – mehr aber auch nicht.
Fragestellungen zum Sachverhalt helfen weiter…
Es kommt immer – und hier noch mehr – auf den Einzelfall an. Es muss daher der konkrete Sachverhalt ermittelt werden:
Gegen wen richtet sich die Maßnahme?
Wie weit geht die Einschränkung?
Hat zum Beispiel das ganze Einkaufszentrum geschlossen und wer hat was aus welchen Gründen entschieden?
Wie wirken sich eigentlich vertragliche Regelungen wie die zu einer Betriebspflicht aus?
Auch die Art des Geschäftsraumes und der Mietzweck spielt eine Rolle: Es ist ein Unterschied, ob es sich um Veranstaltungsräume handelt oder um dauerhaft vermietete Büros oder Läden. Falls eine Umsatzmiete vereinbart wurde, liegt hierin schon eine gewisse Risikoverteilung, auch dieser Umstand wäre dann bei der Beurteilung zu berücksichtigen.
Welche Hilfen hat der Mieter (oder auch vielleicht auch der Vermieter?) bekommen – oder auch nicht.
…um eigene, selbstbestimmte Lösungen zu finden
Ich meine, es gibt hier keine „gerechte“ juristische Lösung für die Vergangenheit. Weil keiner was dafür kann und alle betroffen sind, sollten die Parteien selbst versuchen, tragbare Lösungen zu finden. Für die Zukunft müssen die Lehren aus der Pandemie gezogen werden und es muss versucht werden, auch solche „unwahrscheinlichen“ Szenarien vertraglich abzubilden.
Gute anwaltliche Beratung hilft in beiden Fällen.
Die Gesetzesbegründung lässt sich hier herunterladen (Download startet automatisch).
von Rechtsanwalt Johannes Hofele,
Fachanwalt für Steuerrecht
Breiholdt Rechtsanwälte