Darf ein Verwalter ohne Beschluss der Eigentümerversammlung ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Bauträger einleiten, wenn Verjährung von Mängelansprüchen droht?
Beim Kauf vom Bauträger gibt es eine 5jährige Gewährleistungsfrist für Mängel. Bezüglich des Sondereigentums an den einzelnen Wohnungen beginnt diese Frist mit der Übergabe der Wohnungen an die einzelnen Erwerber zu laufen. Bezüglich des Sondereigentums bestimmt sich der Laufzeitbeginn durch den Zeitpunkt der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch alle Eigentümer. Vor Ablauf der Gewährleistungsfrist wird häufig noch einmal ein Gutachter beauftragt, das Gemeinschaftseigentum auf Mängel zu inspizieren, um diese dann ggf. noch rechtzeitig bei dem Bauträger geltend machen zu können. In der Folge muss die WEG dann durch Beschluss entscheiden, ob sie verjährungshemmende Maßnahmen – etwa ein selbständiges Beweisverfahren – einleiten will oder nicht. Dies kann alles sehr zeitaufwendig sein, sodass sich die Frage stellt, ob der Verwalter im Rahmen einer Notmaßnahme ggf. auch ohne Beschluss befugt ist, ein selbständiges Beweisverfahren einzuleiten.
Was sagen die Gerichte? Das LG Frankfurt am Main (2-13 S 55/18, WM 2019, S. 479) hatte sich mit einem solchen Fall zu beschäftigen. Der Verwalter einer WEG hatte ohne durch einen Beschluss ermächtigt zu sein, ein selbständiges Beweisverfahren gegen einen Bauträger wegen drohender Verjährung eingeleitet. Später beschloss die WEG, das Verfahren nicht fortzuführen und verlangte vom Verwalter die entstandenen Kosten. Das LG Frankfurt gab der WEG Recht. Notmaßnahmen seien nur Maßnahmen, die so plötzlich erforderlich werden, dass es dem Verwalter objektiv unmöglich sei, kurzfristig noch eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen. Eine Maßnahme werde auch nicht dadurch zu einer Notmaßnahme, dass man zugewartet habe und nun eine Gefahr eintritt (Verjährung drohe). Im entschiedenen Fall hatte sich die WEG mehrfach mit der drohenden Verjährung beschäftigt, ohne allerdings eine Entscheidung zu einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Bauträgers zu treffen. Eine Notmaßnahme könne deshalb nicht mehr vorliegen.
Praxishinweis: Ein nicht untypischer Fall: Der WEG-Verwalter möchte Nachteile für die Gemeinschaft abwenden und überschreitet dabei seine Kompetenzen. Vorsichtig also bei der Annahme einer Notmaßnahme im Sinne von § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG: Hat die Entscheidung noch Zeit, so ist es ratsam, zunächst einen Beschluss herbeizuführen.
von Rechtsanwalt Kai-Peter Breiholdt,
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Breiholdt Rechtsanwälte, Berlin