Auch in einer Eigentumswohnung kann die Prostitution ausnahmsweise zulässig sein! Für einen solchen Ausnahmefall sprechen folgende Umstände:
- schlechte Lage,
- große, „anonyme“ Wohnanlage,
- ausschließlich 1-Zimmer-Wohnungen,
- „schlechte“ Bewohnerstruktur: Obdachlosenunterkunft, Alkohol- und Drogensüchtige, keine Familien mit Kindern
- diskrete Ausübung der Prostitution ohne Belästigungen
- Zulässigkeit gewerblicher Wohnungsnutzung nur durch Verwalterzustimmung
OLG Köln, 25.8.2008 – 16 Wx 117/08
Der Fall: Der Eigentümer zweier Wohnungen in schlechter Wohnlage vermietet an Damen, die dort nach telefonischer Verabredung der Prostitution nachgehen. Die Wohnanlage hat 70 kleine Einzimmerwohnungen. Ein Teil der Wohnungen wird von einer karitativen Einrichtung für die übergangsweise Unterbringung wechselnder Obdachloser genutzt. Viele dieser Kunden haben Alkohol- oder Drogenprobleme. Es gibt auch eine Wohngemeinschaft für jugendliche Drogensüchtige. Familien mit Kindern wohnen nicht in der Anlage. Nach der Gemeinschaftsordnung bedarf die Nutzung einer Wohnung zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken der Zustimmung des Verwalters, die er nur aus wichtigem Grunde versagen darf. Ein anderer Wohnungseigentümer verlangt eine Unterlassung der „Callgirl“-Nutzung und Ersatz angefallener Detektivkosten
Rechtlicher Hintergrund: Regelmäßig ist Prostitutionsausübung im Wohnungseigentum unzulässig, weil die anderen Wohnungen schwerer vermietbar bzw. verkäuflich sind. Diesen Nachteil müssen sich die anderen Eigentümer nicht gefallen lassen, § 14 Nr. 1 WEG.
Was sagt das Gericht? Der Eigentümer der „Prostitutions-Wohnungen“ bekommt Recht! Die Nutzung zur Prostitution ist hier ausnahmsweise zulässig; denn es mangelt an einer besonderen Belästigung. Das ergibt sich im konkreten Fall aus den besonderen Umständen zur Lage und Nutzung der Wohnanlage. Da dort zum Teil unter Alkohol- und Drogenproblemen leidende Obdachlose sowie drogensüchtige Jugendliche wohnen, nicht aber Familien mit Kindern, handelt es sich nicht um eine typische Mehrfamilienwohnanlage. Vielmehr sprechen die Besonderheiten von Nutzung und Lage in einer Gegend, in der auch „randständige Personen“ wohnten, für andere Bedürfnisse und andere zulässige Nutzungszwecke. Der wirtschaftliche Wert der übrigen Einheiten ist allein durch die beanstandete „Callgirl“-Tätigkeit nicht erheblich beeinträchtigt. Es fehlt hier wohl auch an konkreten Belästigungen durch Freier und Prostituierte.
Praxishinweis: „Keine Regel ohne Ausnahme!“ Aber der Cocktail von Negativfaktoren war im vorliegenden Fall auch extrem. Im Normalfall werden die Richter weiter den Daumen senken.
von Rechtsanwalt Kai-Peter Breiholdt,
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Breiholdt Rechtsanwälte, Berlin