Grundsätzlich dürfen die Eigentümer zur Finanzierung von – auch betagten – Zahlungsverbindlichkeiten eine Sonderumlage beschließen. Anders kann es sein, wenn die Alt-Verbindlichkeiten auf „Nachlässigkeit“ beruhen (hier: Verwalter zahlt mehrere Jahre lang keine Abwasserkosten u.a.). In diesem Falle dürfen Neueigentümer nur zeitanteilig mit Altverbindlichkeiten belastet werden.
OLG Hamm, 20.1.2009 – 15 Wx 164/08
Der Fall: Seit dem Jahr 2000 zahlen die Wohnungseigentümer – trotz entsprechender Gebührenbescheide – keine Abgaben für Abwasser, Straßenreinigung und Abfallentsorgung. Im März 2005 fordert die Stadt den entstandenen Rückstand von rd. 13.000 € von einem der 7 Wohnungseigentümer an. Dieser ist bestürzt und fordert die anderen Eigentümer zur Kostenübernahme auf. Daraufhin beschließen die Wohnungseigentümer eine Sonderumlage, die nach dem maßgebenden Kostenschlüssel auf alle Miteigentümer verteilt wird. Zwei Wohnungseigentümer fechten die Beschlüsse an. Sie sind erst seit 2003 bzw. 2004 Miteigentümer und möchten nicht für solche Gebühren einstehen, die „vor ihrer Zeit“ entstanden sind.
Rechtlicher Hintergrund: Grundsätzlich muss sich jeder Wohnungseigentümer an jeder Sonderumlage beteiligen. Dies gilt auch für Altverbindlichkeiten, die zu einer Zeit entstanden sind, als der betreffende Sondereigentümer die Wohnung noch gar nicht erworben hatte. Es wird aber immer wieder diskutiert, ob für „Nachrücker“ eine Ausnahme zu machen ist, oder ob die neuen Eigentümer sich an ihren Verkäufer wenden sollen – wegen unterlassener Aufklärung!
Was sagt das Gericht? Die Anfechtung ist erfolgreich – das Gericht gibt den neuen Eigentümern Recht! Das Gericht stellt eingangs klar, dass öffentliche Lasten gemeinschaftlich gezahlt werden müssen. Daher sei es rechtens, den einen von der Stadt herangezogenen Wohnungseigentümer von seiner Gebührenschuld zu entlasten. Das Gericht schränkt dies jedoch auf das laufende Wirtschaftsjahr ein.
Anders für die Alt-Verbindlichkeiten: Zwar muss ein neu eintretender Wohnungseigentümer damit rechnen, sich an vor seiner Zeit entstandenen Alt-Verbindlichkeiten beteiligen zu müssen. Dies gilt laut Gericht aber nicht für die Erhebung von Beiträgen, die allein durch Nachlässigkeit der anderen Wohnungseigentümer noch nicht gezahlt wurden.
Praxishinweis: Auch wenn diese Entscheidung nicht verallgemeinert werden kann, ist es ersichtlich die erste obergerichtliche Entscheidung, die den Grundsatz auflöst, dass die Eigentümer – unabhängig von dem Zeitpunkt ihres Eintritts in die Gemeinschaft (also unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbers der Wohnung) – für alle Verbindlichkeiten haften. Es lohnt sich also, genau zu schauen, für welche Verbindlichkeiten aus welchem Jahr Sonderumlagen gebildet und gezahlt werden sollen.
von Rechtsanwalt Kai-Peter Breiholdt,
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Breiholdt Rechtsanwälte, Berlin