Kann ein einzelner Sondereigentümer Widerspruch gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück bei der Baubehörde einlegen?
Der Neubau eines Gebäudes neben oder gegenüber dem einer Eigentümergemeinschaft gehörenden Grundstück kann zu unterschiedlichen Reaktionen in der Eigentümergemeinschaft führen. Einige mögen sich freuen, weil dort zum Beispiel ein neues Restaurant eröffnet werden soll; andere mögen genau aus diesem Grund dem Vorhaben auf dem Nachbargrundstück gegenüber ablehnend eingestellt sein. Für den einzelnen Sondereigentümer – genauso wie für die Eigentümergemeinschaft insgesamt – kann sich dann die Frage stellen, ob und wer das Recht hat, gegen das Vorhaben auf dem Nachbargrundstück den Widerspruch bei der Baubehörde einzulegen und ggf. später vor den Verwaltungsgerichten zu klagen.
Was sagen die Gerichte?
Bereits im Jahre 1975 hat das OVG Berlin (DVBl 1977, 431) entschieden, dass grundsätzlich der einzelne Wohnungseigentümer, der Nachbar im Sinne des öffentlichen Baurechts ist und sich auf ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften berufen kann, zu Widerspruch und Klage befugt ist. Die dem Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG eingeräumte Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen für die Eigentümergemeinschaft stehe dem nicht entgegen.
Nach Meinung des OVG Hamburg (NVwZ – RR 1993, 238) kann dieses Recht des einzelnen Eigentümers auch nicht durch einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft ausgehebelt werden. Im dort entschiedenen Fall hatte die Eigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss einem Nachbarn zur Ermöglichung seines Neubauvorhabens die Unterschreitung der eigentlich einzuhaltenen Abstandsfläche genehmigt. Das OVG Hamburg entschied, dass es für eine solche Mehrheitsentscheidung im WEG keine Rechtsgrundlage gebe.
Umgekehrt kann der einzelne Eigentümer allerdings Widerspruch und Klage auch nur darauf stützen, dass er in seinem Sondereigentum verletzt ist. Auf eine mögliche Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums kann er sich dagegen nicht berufen (VGH Bayern, BauR 2006, 501). Liegt also zum Beispiel seine Wohnung nach hinten raus und wird offensichtlich durch den Neubau auf dem Nachbargrundstück nicht beeinträchtigt, so kann er nicht argumentieren, dass eine Unterschreitung von Abstandsflächen auch ihn als Miteigentümer betrifft. Hier muss dann schon die Eigentümergemeinschaft insgesamt tätig werden oder die Eigentümer, die ihre Wohnungen direkt gegenüber dem geplanten Neubau haben.
Praxishinweis:
Untereinander können die Sondereigentümer sich nicht auf öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche berufen. Widerspruch und Klage gegen eine einem Miteigentümer erteilte Baugenehmigung durch einen anderen Miteigentümer ist also nicht möglich. Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern ein und derselben Eigentümergemeinschaft müssen auf der Grundlage des WEG und der dort vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten gelöst werden (BVerwG, NVwZ 1990, 655, NVwZ 1998, 954).
Hier wird es in der Regel um die Frage der Zulässigkeit von baulichen Veränderungen durch einzelne Miteigentümer gehen, deren Zulässigkeit dann vor den Zivilgerichten zu klären ist.
von Rechtsanwalt Kai-Peter Breiholdt,
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Breiholdt Rechtsanwälte, Berlin