Seit 2020 ergibt sich aus dem Gesetz, dass die Jahresabrechnung die sogenannte „Abrechnungsspitze“ ausweist (§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG). Das Wort steht da zwar nicht, ist aber gemeint. Was hat es eigentlich damit auf sich?
Eigentümer zahlen monatlich ein Wohngeld, auch Hausgeld genannt, der Verwalter rechnet im Folgejahr darüber ab und dann hat man als Eigentümer ein Guthaben oder muss nachzahlen. Das klingt so ähnlich wie bei den Mietern, ist aber juristisch ganz anders.
1. Woraus ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung der Gelder?
Damit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) Gelder von den Eigentümern fordern kann, benötigt sie eine sogenannte Anspruchsgrundlage. Aus rechtstechnischen Gründen gibt es hier zwei verschiedene:
a) Laufende Wohngeldzahlung
Der Anspruch für die Zahlung der laufenden Wohngelder für das jeweilige Jahr ergibt sich aus dem Wirtschaftsplan für dieses Jahr. Dieser wird im Jahr vorher aufgestellt. Dort sind die sogenannten „Soll-Zahlungen“ eingestellt, also das, was der Eigentümer für das laufende Jahr jeweils monatlich zahlen „soll“.
Beispiel:
Eigentümer X muss nach dem Wirtschaftsplan für das Jahr 01 monatlich 954 € zahlen.
b) Zahlungen aus der Abrechnung
Im Folgejahr 02 macht der Verwalter dann die Abrechnung: Er ermittelt die tatsächlichen Kosten, die der GdWE entstanden sind und rechnet diese Kosten anteilig den Eigentümern zu. In der Jahresabrechnung für 01 setzt er die Soll-Zahlungen aus dem Wirtschaftsplan an – also nicht das, was der Eigentümer tatsächlich gezahlt hat.
Diese Differenz ist die Abrechnungsspitze.
Fortsetzung des Beispiels:
Auf Eigentümer X entfallen für 01 Kosten in Höhe von 12.000 €. Die Summe seiner Soll-Zahlungen nach dem Wirtschaftsplan betrug 11.448 € (12 x 954 €). Daher beträgt die Abrechnungsspitze 552 €.
(Eine Besonderheit besteht bei Zahlungen auf die Rücklage, aber das lassen wir mal außen vor).
Erst wenn die Eigentümerversammlung durch Beschluss die Jahresabrechnung genehmigt (dies erfolgt in 02), entsteht die Anspruchsgrundlage für die GdWE. Erst dann kann sie die Abrechnungsspitze auch verlangen:
Zahlt X die 552 € nicht, kann der Verwalter die Zahlung auf Grundlage dieses Beschlusses einklagen.
2. Und wenn einer nicht zahlt?
Es kommt gar nicht so selten vor, dass Eigentümer ihre Zahlungspflichten nicht erfüllen.
Würde X im Beispiel im Jahr 01 diese monatlichen 954 € nicht zahlen, kann der Verwalter die Zahlungen für die GdWE einklagen. Zahlt X also schon ab Januar 01 sein Wohngeld nicht, wird der Verwalter die laufenden Zahlungen auf Basis des Wirtschaftsplans einklagen.
Unser Eigentümer X ist aber nur ein bisschen schusselig und hat bei den Vorauszahlungen im Dezember 01 statt 954 € wegen eines Zahlendrehers nur 945 € gezahlt. Es fehlen also 9 €. Der Verwalter wird die 9 € jetzt normalerweise nicht sofort einklagen.
Er wird vielmehr die fehlenden 9 € auf die Soll-Vorauszahlungen in der Einzelabrechnung für 01 für die Wohnung des X zusätzlich zur Abrechnungsspitze ausweisen. Das ist aber nur eine Rechengröße, der Zahlungsanspruch wegen der fehlenden 9,00 € ist immer noch der Wirtschaftsplan.
Weil die Abrechnungsspitze 552 € beträgt, muss X 561 € zahlen.
Falls X in 02 weder die Abrechnungsspitze von 552 € noch die fehlenden 9,00 € aus den laufenden Vorauszahlungen zahlt, muss der Verwalter die Klage wegen 552 € auf den Beschluss über die Feststellung der Jahresabrechnung stützen, für die 9,00 € aber auf den Wirtschaftsplan für 2022. Das muss er genau auseinanderhalten, sonst kann es passieren, dass seine Klage als „unschlüssig“ abgewiesen wird.
von Rechtsanwalt Johannes Hofele,
Fachanwalt für Steuerrecht
Breiholdt Rechtsanwälte