Der (derzeit noch-) Bausenator nannte das Urteil eine „Katastrophe“, wir nennen es korrekte Rechtsanwendung.
Was ist eigentlich ein Vorkaufsrecht?
Verkauft Eigentümer E seine Wohnung an Käufer K, gibt es für Dritte unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, in den Kaufvertrag „einzutreten“. So gibt es zum Beispiel im BauGB das sogenannte kommunale Vorkaufsrecht. Danach kann in Berlin der Senat unter bestimmten Voraussetzungen ein solches Vorkaufsrecht ausüben. Die Ausübung des Vorkaufsrecht bedeutet im Ergebnis, dass E nicht an K verkaufen kann, sondern an einen vom Senat bestimmten Dritten, meistens eine Wohnungsbaugesellschaft, verkaufen muss.
Es gibt aber genaue Voraussetzungen, wann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden darf. Der Berliner Senat hat aber – zugegebenermaßen etwas überspitzt ausgedrückt – allen Käufern pauschal unterstellt, dass sie nach dem Erwerb Luxusmodernisierungen durchführen. Diesem Vorgehen hat das Bundesverwaltungsgericht nun einen Riegel vorgeschoben.
Worum geht es konkret?
Das Vorkaufsrecht des Landes Berlin ist im BauGB – einem Bundesgesetz – geregelt, und es ist im Grunde auch nichts dagegen einzuwenden, dass das Land dies tut. Allerdings gibt es hierfür Voraussetzungen. Das Vorkaufrecht des Landes ist ausgeschlossen, „wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 aufweist“ wie es in § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB heißt.
Auf Deutsch: Entspricht die Nutzung des Grundstückes städtebaulichen Vorgaben, gibt es kein Vorkaufsrecht.
Maßgeblich ist, ob diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landes über die Ausübung des Vorkaufsrecht vorliegen.
Die Berliner Praxis sah aber ganz anders aus: Der Senat hat quasi eine Prognoseentscheidung über die Nutzungsabsichten eines Erwerbers getroffen und ihm unterstellt, dass er nach dem Kauf diese Vorschriften nicht einhält.
Diese Praxis der Berliner Verwaltung, Prognoseentscheidungen über die Nutzungsabsichten eines Erwerbers zur Grundlage der Ausübung des Vorkaufsrechts zu machen, verstößt gegen den Wortlaut des Gesetzes, so das BVerwG. Im Kern sagt das Gericht, dass § 26 Nr. 4 BauGB ganz klar so formuliert ist, dass es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Man kann die Vorschrift – so das Gericht – auch nicht so auslegen, dass sie auf Vorkaufsrechte für Grundstücke im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung nicht anwendbar sei.
Hinzu kam im entschiedenen Fall noch folgendes: Das Grundstück war öffentlich gefördert und befand sich noch in der Bindung, als das Land das Vorkaufsrecht ausübte. Der Käufer konnte also überhaupt nichts anderes machen, solange die Bindung bestand. Trotzdem hat das Land einfach „auf Vorrat“ das Vorkaufsrecht ausgeübt.
Wir meinen:
Klar ist, dass der Gesetzgeber aufgrund der Sozialbindung des Eigentums entsprechende Einschränkungen vorsehen kann. Dies hat er im BauGB getan und die Regelungen für Erhaltungsgebiete im Übrigen auch kürzlich ausgeweitet. Die Regelungen müssen möglichst klar sein. Was nicht geht, ist, dass die Verwaltung politischen Gründen eigenes Recht schafft, das im Gesetz keine Grundlage hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat die aus dem Ruder gelaufenen Berliner Verhältnisse wieder zurechtgerückt.
von Rechtsanwältin Sandra Lang-Lajendäcker,
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Breiholdt Rechtsanwälte